Forum: Platinen THT-Bauteile mit Abstand zur Platine einlöten - Hintergrund?


von Simon (simon_username)


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Hallo zusammmen,

ich restauriere Vintage-Stereoanlagen und dabei ist mir aufgefallen, 
dass viele Bauteile - z. B. Widerstände, Dioden - mit einem deutlichen 
Abstand (>> 1cm) zur Platine eingelötet wurden. Ich kenne das eigentlich 
nur, wenn das Rastermaß der Bohrungen und der Komponente unterschiedlich 
ist, wenn man z. B. einen Elko aus Gründen der Höhe nach dem Verlöten 
noch auf die Platine kippen möchte oder aufgrund von Platzmangel sich 
die Beinchen verschiedener Komponenten ins Gehege kommen würden.

Gibt es weitere Gründe warum das vom Hersteller so praktiziert wurde?

Spricht - grundsätzlich - etwas dagegen, die Komponenten direkt auf der 
Platine zu verlöten?

VG
Simon

: Verschoben durch Moderator
von Andrew T. (marsufant)


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Simon schrieb:
> Gibt es weitere Gründe warum das vom Hersteller so praktiziert wurde?

Um die Wärme bei stark belasteten Bauteilen besser abzuleiten.

>
> Spricht - grundsätzlich - etwas dagegen, die Komponenten direkt auf der
> Platine zu verlöten?

Nein, ist sogar mechanisch stabiler sie direkt auf die Platine zu löten.
Sprich: Wenn immer möglich und vertretbar, direkt auf die Platine 
anbringen.

von Oliver S. (oliverso)


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Simon schrieb:
> ich restauriere Vintage-Stereoanlagen

was doch bedeutet, alles in den Ursprungszustand zu versetzen, egal, wie 
bescheuert der aus heutiger Sicht auch ist.

Wenn du die Anlagen reparieren willst, kannst du die Bauteile direkt 
auf die Platine löten.

Oliver

von Christian E. (cerker)


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Das war eher um bei den alten Pertinaxplatinen eine Degradierung des 
Materials durch (dauerhafte) Wärmeeinwirkung zu vermeiden.

Wo das nicht gemacht wurde, sieht man oft, dass die Platine um die 
Gleichrichter oder ev. Lastwiderstände gut gebräunt ist.

Es gab damals die Bauteile teilweise auch mit entsprechend vorgebogenen 
Anschlussdrähten, so dass sie in Bohrungen im Nennrastermaß von selbst 
10-15mm über der Platine saßen.

Gruß,
Christian

von Axel S. (a-za-z0-9)


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Oliver S. schrieb:
> Wenn du die Anlagen reparieren willst, kannst du die Bauteile direkt
> auf die Platine löten.

Ähhm. Nein.

Wenn die Bauteile auf den alten Platinen "fliegend" eingelötet waren [1] 
dann hatte das seinen Grund. Meistens um die Abwärme der Bauteile von 
der Platine fernzuhalten. Die Bauteile jetzt bündig auf die Platine zu 
setzen, bedeutet eher "kaputtrepararieren".

[1] also mit Absicht, nicht einfach nur schlampig bestückt.


Christian E. schrieb:
> Es gab damals die Bauteile teilweise auch mit entsprechend vorgebogenen
> Anschlussdrähten, so dass sie in Bohrungen im Nennrastermaß von selbst
> 10-15mm über der Platine saßen.

Genau. "Sicken" nennt man die Biegungen in den derart vorgeformten 
Beinchen. In meinem Lehrbetrieb hatten wir in der Bestückung dafür eine 
Biegevorrichtung. Da hat man den z.B. Widerstand eingelegt und einen 
Hebel betätigt. Anschließend waren die Beinchen abgebogen, falls nötig 
mit Sicken  versehen und abgeschnitten. Gab mehrere Einsatzwerkzeuge, je 
nach Rastermaß und mit oder ohne Sicken.

von Heinrich K. (minrich)


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Für die sehr heiß werdenden Leistungswiderstände gibt es keramische 
Röhrchen als Abstandshalter, billiger gemacht, sieht man auch Abschnitte 
aus Rüschrohr. Moderne Keramikgehäuse von cremeweissen oder 
schneeweissen Leistungswiderständen für Printmontage sind selbsttragend 
mit Abstand: Die Anschlussbeinchen sind "Blech", das in "pins" endet.

Also nicht direkt auf der Platine aufliegend. Wenns mit Abstand original 
ist, so lassen!

von Christian E. (cerker)


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Die Nennlast für diese Keramik-Drahtwiderstände gilt üblicherweise für 
eine Gehäusetemperatur von typabhängig so 200-350°C. Das halten die 
Widerstände auch aus (ich hatte sie in einem Fehlerfall schonmal 
kurzfristig rotglühend, da war danach aber der Widerstand außer 
Toleranz). Die umliegenden Bauteile/Platine nicht zwangsweise...

Zumindest früher gab es die auch mit einer integrierten Thermosicherung.
Die waren dann stehend und oben war ein Federblech das mit einer 
bestimmten Legierung verlötet war und bei Überhitzung unterbrochen hat 
(regelmäßig im Heizkreis der letzten teilweise röhrenbestückten 
Fernseher).

Gruß,
Christian

von Walta S. (walta)


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Ich mach das manchmal bei Prototypen um die Widerstände leichter wieder 
auslöten zu können.
Man braucht keine Lötnägel um schnell was nachzumessen.

Walta

von Rainer W. (rawi)


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Christian E. schrieb:
> Das war eher um bei den alten Pertinaxplatinen eine Degradierung des
> Materials durch (dauerhafte) Wärmeeinwirkung zu vermeiden.
>
> Wo das nicht gemacht wurde, sieht man oft, dass die Platine um die
> Gleichrichter oder ev. Lastwiderstände gut gebräunt ist.

Und mit der IR-Kamera würde man auch sehen, dass sie direkt auf der 
Platine zusätzlich deutlich wärmer werden, als wenn sie auf 
Abstandshaltern in der freien Luft hängen. Das steigert die thermische 
Belastung der Platine noch zusätzlich.

von Mirko (mirkomikro)


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Das ist eine gute Frage. Antwort hab ich keine, aber die klügeren Köpfe 
hier haben ja bereits geantwortet.

Aus meiner Lehre weiß ich nur noch, dass die LEDs und z.B. 
Spannungsregler extra "Markierungen" hatten und sie somit mit etwas 
Abstand zur Platine gelötet werden sollten. Widerstände, Elkos und 
Dioden haben wir aber aufliegend gelötet.
Transistoren waren durch die Beinen auch über der Platine.

: Bearbeitet durch User
von Wollvieh W. (wollvieh)


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"Snap in" mit geformten Beinchen galt irgendwann bei Bauteilen als 
schick. Saßen halt schon fest in den Löchern, bevor sie ins Lötbad 
kamen. Bei Fernsehern hatten dickere Bauteile oft um ca. 1-2mm 
umgeknickte "doppelte" Enden am Draht, die in der Bohrung festklemmten.

Gab ja auch Platinen, wo absolut jedes Bauteil platt aufsaß und 
sämtliche Beine umgebogen hatte.

Ich glaube die Beinchenform war am Ende weitgehend Mode, bzw. der gerade 
im Hause billigsten oder rationellsten Fertigungsmethode geschuldet, 
ähnlich wie die Leiterbahnführung mit Klebeband nach Gusto des 
Künstlers, dann mit den ersten Autoroutern in teils bizarren 
Annäherungen mit 45- oder 90-Grad Winkeln ähnlich einer gepixelten Linie 
auf einem Heimcomputer.

Beim damals üblichen Rauchen in der Wohnung konnte der Teer Bauteile mit 
mehr Abstand nicht so schnell in die klebrige Staubschicht auf der 
Platine integrieren. :)

: Bearbeitet durch User
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